Sterns Stunde war eine Reihe von Fernsehsendungen des Journalisten Horst Stern über Tiere und Landschaften, die vom Süddeutschen Rundfunk in Farbe produziert und deren erste von 24 (Andere Quellen: 26) Folgen vom Ersten Deutschen Fernsehen erstmals am 13. Januar 1970 (Andere Quelle: 30. Januar 1970) ausgestrahlt wurde.

Intention

Die einzelnen Folgen trugen in der Regel den Untertitel Bemerkungen über … das jeweilige Thema. Sie waren lehrreich, mahnend und kritisch angelegt und nie in erster Linie zur reinen Unterhaltung gedacht. Im Fokus stand nie nur das Tier als solches, sondern immer auch dessen Bezug zum Menschen in all seinen Facetten.

Entlarvende Wirkung

Sterns Stunde war – im Gegensatz zu den teils idyllisch verklärenden Tierserien ihrer Zeit wie Bernhard Grzimeks Ein Platz für Tiere, Heinz Sielmanns Expeditionen ins Tierreich, einst Auf den Spuren seltener Tiere von Eugen Schuhmacher oder später Tiere vor der Kamera von Hans Schweiger und Ernst Arendt – von Anfang an darauf ausgelegt, keine possierlichen Tierchen in einer Art erweitertem Zoologischen Garten vorzuführen, sondern dem Zuschauer, manchmal schonungslos durch zum Teil schockierende Bilder, einen Spiegel vorzuhalten, auf dass er sein eigenes Verhältnis zum entsprechenden Objekt hinterfrage. Klassische Beispiele dafür sind Sterns Bemerkungen über das Haushuhn oder Bemerkungen über das Hausschwein. Dabei wurde aber nie beispielsweise die Batteriehaltung von Legehennen ex cathedra angeprangert, sondern immer auch deren Notwendigkeit bei gegebenem Eierverbrauch der Bevölkerung Rechnung getragen. Trotzdem sorgten diese Folgen jeweils für einen Aufschrei in der gesamten Republik, so dass Stern in den auf die … Hausschwein- und … Haushuhn-Sendung folgenden Bemerkungen über den Igel zu Anfang den Text „Es braucht niemand abzuschalten. Wir werden nicht geschlachtet.“ einblendete. Die Aufnahmen entstanden zum Teil in für Tierdokumentationen ungewohnten Techniken, so z. B. in Bemerkungen über das Haushuhn:

Bemerkungen über den Rothirsch

Zu Heiligabend 1971 wurden Horst Sterns Bemerkungen über den Rothirsch ausgestrahlt, die prompt einen Skandal auslösten, weil er darin „zur Rettung des deutschen Waldes“ den verstärkten Abschuss dieser Tiere forderte. Der Sendetermin war von Südfunk-Fernsehdirektor Horst Jaedicke bewusst gewählt worden und sollte dem Publikum ein Kontrastprogramm bieten. Stern:

Stern zeigte im Film die Wildschäden in deutschen Wäldern, die von Rothirschen und Rehen durch Schälen, Fegen und Verbiss verursacht werden, und kritisierte die traditionelle Jägerschaft für ihre Fixierung auf Trophäen und Förderung überhöhter Wildbestände, die u. a. in den Trophäenschauen, der Zuchtwahl beim Abschuss und der künstlichen Wildfütterung von Geweihträgern zum Vorschein komme.

Der Film rief ein enormes Echo in der Bevölkerung und den Parlamenten hervor. Anfang 1972 sahen sich die zuständigen Ausschüsse im Bayerischen Landtag und im Bundestag genötigt, sich mit Sterns Sendung zu befassen. Im April desselben Jahres kam es auf Anfrage des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu einer erneuten Vorführung des Films vor Bundestagsabgeordneten in Bonn, die durch Horst Stern persönlich kommentiert wurde. Der dort ebenfalls anwesende Förster Georg Sperber, der als fachlicher Berater an der Entstehung des Films mitwirkte, erhielt durch die bayerische Staatskanzlei als seinem beamtenrechtlichen Dienstherrn unmittelbar vor der an die Filmvorführung anschließenden Fragerunde ein Redeverbot.

Forstwissenschaftliche Fakultäten mehrerer deutscher Universitäten stellten sich in der Auseinandersetzung um die Aussagen des Films hinter Stern. Eine von 68 Forstfachleuten und Wissenschaftlern der Georg-August-Universität Göttingen unterzeichnete Stellungnahme bescheinigte dem Film eine im Wesentlichen korrekte Darstellung der Wald-Wild-Thematik. Die organisierte Jägerschaft dagegen attackierte Stern. Die viel gelesene Jagdzeitschrift Wild und Hund verurteilte den Film als „hässliche, gar hasserfüllte Ketzerei“ des „Heiligabend-Stern“.

Zu Weihnachten 1973 ließ Stern, um, wie er sagte, „bei den Leuten nicht ewig als Weihnachtsschänder in Erinnerung [zu] bleiben“, seine weniger konfliktträchtigen Bemerkungen über den Schmetterling ausstrahlen.

Der Film gilt als ein Wendepunkt in der deutschen Jagdgeschichte und im Wald-Wild-Konflikt, der die zuvor hauptsächlich in Fachkreisen thematisierten Wildschäden im Wald in den Fokus der breiten Öffentlichkeit rückte.

„Rosa“ Filme

Stern drehte auch rein sachlich-informative Folgen, in denen er in oft erstaunlichen Bildern alltäglich scheinende Tiere und deren Verhalten wie in Bemerkungen über den Schmetterling beschrieb. Damit trat Stern auch für einen Abbau von Vorurteilen gegenüber abstoßenden, oft lästigen Tieren ein, indem er z. B. im Zweiteiler Leben am seidenen Faden – Bemerkungen über die Spinne versuchte, dem Zuschauer mit faszinierenden, nie zuvor gesehenen Bildern Abscheu und Angst vor diesen oft als eklig oder gefährlich verschrienen Tieren zu nehmen. Stern:

Stil

Ein Stilmittel Sterns war es, zum Auftakt scheinbar idyllische Bilder zum jeweiligen Thema zu zeigen, im Verlauf der Sendung aber recht schnell zu oft drastischen, aber stets realistischen Motiven überzugehen. Seine fesselnden, in Sterns charakteristischem rauen Timbre vorgetragenen Kommentare waren von präzisem Sarkasmus und auch Zynismus geprägt; manchmal auch augenzwinkernd, immer jedoch voller Hochachtung, gar Liebe zu dem von ihm beschriebenen Objekt – nie aber vermenschlichend und verklärend:

Ende

Die Einstellung der erfolgreichen Reihe war von Stern hausgemacht: Der Dreiteiler Stellvertreter – Tiere in der Pharmaforschung läutete das Ende ein, indem er bis dahin nie gesehene drakonische Bilder von Versuchstieren und Praktiken in der Pharmaindustrie zeigte, die einerseits zweifellos ihren Zweck, die Nation aufzurütteln, erfüllten, andererseits dennoch das gesamte Konzept der Sendung in Frage stellten. Stern sah, dass seine Bilder die im Kommentar vermittelte eigentliche Botschaft, nämlich die Ambivalenz aus Grausamkeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit von Tierversuchen in unserem Gesellschaftssystem, in den Hintergrund drängen:

Kritik

Folgen

Die grün markierten Folgen sowie der Film Die ermüdete Wahrheit, eine Dokumentation über Horst Stern von Ulli Pfau, sind in einer Kassette mit sechs DVDs, aufgelegt von Arthaus Musik, im Rahmen der 3sat-Edition bei ARD-Video erschienen.

Einzelnachweise


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